Energetische Gebäudesanierung Deutschlands Gebäude und der Kampf für Energieeffizienz

von | Jul 17, 2023

Die Architekturlandschaft Deutschlands ist vielseitig und beeindruckend. Sie besteht aus insgesamt 19,3 Millionen Wohngebäuden, die aus 16,6 Millionen Einfamilienhäusern und 2,7 Millionen Mehrfamilienhäusern bestehen. Ein Ausdruck der kulturellen Diversität und des Facettenreichtums unserer Heimat. Betrachtet man jedoch den energetischen Zustand dieser Gebäude, ergibt sich ein ernüchterndes Bild.

Leider sind nur 13 % unseres Gebäudebestandes energetisch angemessen. Zwar wurden bei 51 % der Gebäude einzelne Sanierungsmaßnahmen durchgeführt, die Gebäudehülle oder Heizungstechnik betreffen, jedoch fehlt häufig eine ausreichende energetische Optimierung. Alarmierenderweise sind 36 % unserer Gebäude komplett unsaniert. Diese energetisch mangelhaften Gebäude tragen massiv zu unserem Gesamtenergieverbrauch und den damit verbundenen CO₂-Emissionen bei. Vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen im Hinblick auf Energieeffizienz und Klimawandel besteht dringender Handlungsbedarf. Effiziente Gebäude sind wichtig.

Tatsächlich zeigt sich, dass Deutschland im Bereich der energetischen Sanierung von Gebäuden vor einer Mammutaufgabe steht. Ein Großteil unserer Heizsysteme verbrennt fossile Brennstoffe, etwa 50 % mit Gas und 25 % mit Öl. Überalterte Heizanlagen machen über die Hälfte unserer Systeme aus. Das bedeutet, dass 12 Millionen Heizkessel nicht mehr dem aktuellen Stand der Energieeffizienz entsprechen und ersetzt werden müssen.

Energetische Gebäudesanierung

Energetisch zu sanieren zeigt mehrere Probleme

Neben diesen Aspekten trägt auch die mangelnde Dämmung zu unserem Problem bei. Es ist erschreckend, dass noch immer mehr als 2 Millionen Dächer ungedämmt sind. Diese Häuser sind nicht nur dem Wärmeverlust ausgeliefert, sondern fehlen ihnen auch die Widerstandsfähigkeit gegen Hitze und Schall – drei entscheidende Aspekte auf dem Weg zu einem angemessenen Raumklima.

Diese Gründe sorgen für eine schwierige CO₂-Bilanz in Deutschland. Seit Beginn unserer CO2-Reduktionsbemühungen im Jahr 1990 haben wir bis 2020 nur eine Reduktion von 90 Millionen Tonnen CO₂ erreicht, von ursprünglichen 210 Millionen Tonnen auf 120 Millionen Tonnen. Unser ambitioniertes Ziel ist es jedoch, bis zum Jahr 2045 CO₂-Neutralität in unserem Gebäudebestand zu erreichen. Bis zum Jahr 2030 müssen wir weitere 67 Millionen Tonnen CO₂ einsparen. Erst dann sind wir auf dem richtigen Weg.

So erreichen wir die Ziele

Zur Erreichung dieser Ziele müssen wir uns erneut intensiv mit unseren insgesamt 21 Millionen Gebäuden, einschließlich 19,3 Millionen Wohn- und 1,7 Millionen Nichtwohngebäuden, beschäftigen. Die Priorität verlagert sich weg vom Neubau hin zur energetischen Sanierung des Gebäudebestands.

Es ist entscheidend, dass wir uns dieser Herausforderung stellen und nachhaltige, energieeffiziente Lösungen für unsere Gebäude finden und umsetzen. Dazu gehört der Übergang von der Nutzung fossiler Brennstoffe hin zur Erzeugung erneuerbarer Energien, um unseren CO₂-Ausstoß zu verringern. Doch nicht zu vergessen: Die effektivste Energie ist die, die wir nicht verbrauchen. Die Fokussierung auf Heizungstechnik allein ist nicht ausreichend. Es ist entscheidend, die Energieverluste durch eine unzureichende Gebäudehülle zu reduzieren.

Die energetische Effizienz eines Gebäudes ist stark von seiner Gebäudehülle abhängig. Ein gut gedämmtes Gebäude hält die Wärme innen, reduziert den Heizbedarf und senkt somit den Energieverbrauch und den CO₂-Ausstoß. Eine wirksame Dämmung ermöglicht zudem erst die effiziente Nutzung der Heiztechnik. Denn nur wenn Energieverluste minimiert sind, kann ein Heizsystem seine volle Leistung entfalten. In Verbindung mit erneuerbaren Energien sind die Ziele leichter zu erreichen.

Ein umfassendes Verständnis für die Herausforderungen und Lösungen einer nachhaltigen und klimafreundlichen Gebäudeinfrastruktur erfordert eine ganzheitliche Herangehensweise. Es wird deutlich, dass nicht allein die Art der Heizung oder die gewählte Energiequelle ausschlaggebend sind. Vielmehr müssen alle Aspekte des Gebäudes und dessen Energiebilanz berücksichtigt werden. Dies beinhaltet Faktoren wie die Dämmung der Gebäudehülle, die Heiztechnik und den Einsatz erneuerbarer Energien. Nur durch diese umfassende Betrachtung können wir unsere Ziele im Hinblick auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit erreichen und so unseren Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise leisten.

Zwei Kernelemente des ‚NT-ready‘ Standards für effiziente Heiztechniken: 55°C Maximaltemperatur und Niedertemperaturtauglichkeit

Zwei wesentliche Elemente stehen im Vordergrund des ‚NT-ready‘ Standards für moderne Heizsysteme: eine maximale Vorlauftemperatur von 55°C und die Eignung für Niedertemperaturbetrieb. Diese Aspekte sind entscheidend für eine effiziente Nutzung erneuerbarer Energien mit Wärmepumpen.

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Was bedeutet "NT-ready"?

Der Begriff „NT-ready“ bezeichnet einen innovativen Standard für Gebäude, die auf den Einsatz erneuerbarer Energiequellen, wie Wärmepumpen, optimiert sind. Gebäude dieses Standards sind zudem bestens geeignet für zukünftige, auf erneuerbaren Energien basierende Fernwärmenetze.

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Merkmale eines "NT-ready" Gebäudes

Ein Gebäude erfüllt den „NT-ready“ Standard, wenn es selbst an den kältesten Tagen des Jahres mit einer maximalen Vorlauftemperatur von 55°C beheizt werden kann. Dies wird erreicht durch eine geeignete Dämmung, insbesondere in Gebäuden mit angemessenem energetischem Standard, sowie durch eine sorgfältige Planung und Auslegung der Heizsysteme. Dabei ist eine Fußbodenheizung eine ideale Lösung, aber nicht unbedingt erforderlich. Optimale Planung kann auch den Einsatz von optimierten Standard- oder Niedertemperaturheizkörpern ermöglichen, wobei eine raumweise Heizlastberechnung unerlässlich ist.

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Wie wird der "NT-ready" Standard erreicht?

Die Erfüllung des „NT-ready“ Standards basiert hauptsächlich auf zwei Aspekten:

  1. Der Wärmebedarf der zu beheizenden Räume, der maßgeblich von der Gebäudedämmung abhängt. Durch eine adäquate Wärmedämmung des Gebäudes wird sichergestellt, dass die Wärme effektiv verteilt und genutzt wird, ohne dass sie in erheblichem Umfang durch die Gebäudehülle, vornehmlich die Außenwände, entweicht.
  2. Die Leistungsfähigkeit der Heizkörper, die stark von ihrer Art und Größe abhängt. Durch einen hydraulischen Abgleich der Heizkörper, eine Anpassung der Heizkurve und den Austausch ineffizienter Heizkörper wird die optimale Heizleistung erreicht. Hierbei kann sowohl eine Fußbodenheizung als auch der Einsatz von optimierten Standard- oder Niedertemperaturheizkörpern in Betracht gezogen werden, vorausgesetzt es erfolgt eine sorgfältige Planung inklusive einer raumweisen Heizlastberechnung.

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Die energetische Gebäudesanierung  und ihre Bedeutung für den „NT-ready“ Standard

In Deutschland können Gebäude hinsichtlich ihrer energetischen Effizienz in sieben unterschiedliche Altersklassen eingeteilt werden. Dabei ist wichtig zu beachten, dass es für Gebäude, die bis 1977 erbaut wurden, keine gesetzlichen Regelungen hinsichtlich des Dämmstandards gab. Nach der Ölkrise im Jahr 1977 wurde jedoch die erste Wärmeschutzverordnung erlassen, die den Beginn für die Einführung energetischer Mindeststandards markierte. Diese Standards wurden im Laufe der Zeit kontinuierlich verbessert.

Diese Altersklassen, gepaart mit den dazugehörigen gesetzlichen Regelungen und Mindeststandards, ermöglichen eine relativ genaue Abschätzung des energetischen Verbrauchs eines Gebäudes in kWh/m²/a. Die Einschätzung ist von großer Bedeutung für die Beurteilung des „NT-ready“ Standards in Bezug auf den Betrieb einer Wärmepumpe.

Hier ist eine Übersicht der Altersklassen und den dazugehörigen gesetzlichen Regelungen und Mindeststandards:

Baujahr Gesetzliche Regelung für den energetischen Dämmstandart

Anteil in 

Prozent

Verbrauch

W/m²/a

*Verbrauch kWh/m²/a
Bis 1945 – Keine Vorgaben – 25,4 ≥ 150  ≥ 300 
1946-1976 – Keine Vorgaben – 42,9 ~ 130  ~ 260 
1977-1983 1. Wärmeschutzverordnung 9,6 ~ 120  ~ 240
1984-1992 2. Wärmeschutzverordnung 10,2 ~ 100  ~ 200 
1995-2001 3. Wärmeschutzverordnung 6,2 ~ 80  ~ 160 
2002-2007 Energieeinsparverordnung 2002 4,3 ~ 60  ~ 120 
2007 bis heute Energieeinsparverordnung 2007 1,5 ~ 50  ~ 100 

* Von durchschnittlich 2000 Heizstunden ausgehend

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Eignung von Gebäuden für Wärmepumpen und NT-Ready Standards

Die Fähigkeit eines Gebäudes, den „NT-ready“ Standard zu erfüllen und eine Wärmepumpe effektiv zu betreiben, hängt maßgeblich von seiner energetischen Qualität ab. Als allgemeine Faustregel gilt, dass Gebäude, die nach 1995 gebaut oder energetisch saniert wurden und eine benötigte Heizleistung von weniger als 80 W/m²/a aufweisen, in der Regel für den Einsatz einer Wärmepumpe geeignet sind, ohne dass zusätzliche energetische Maßnahmen erforderlich sind. Noch jüngere Gebäude erfüllen oft sogar noch höhere energetische Standards und sind daher generell für den Betrieb einer Wärmepumpe geeignet.

Bei älteren Gebäuden, die vor 1995 errichtet wurden, ist vermutlich eine energetische Sanierung notwendig, um den „NT-ready“ Standard zu erfüllen und den effizienten Einsatz einer Wärmepumpe zu ermöglichen. Im Zuge dieser energetischen Sanierungsmaßnahmen kommen verschiedene Bereiche des Gebäudes in Betracht, darunter das Dach inklusive Dachfenstern und Gauben, die oberste Geschossdecke, die Fassade inklusive Fassadenfenstern und Haustür sowie der untere Gebäudeabschluss zum Keller hin. Durch diese Maßnahmen kann die energetische Effizienz des Gebäudes erheblich gesteigert werden.

In jeder Phase der Entwicklung energetischer Gebäudestandards wurden die Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden kontinuierlich erhöht. Dies führte zu einem tendenziellen Rückgang des Energieverbrauchs pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m²/a). Ein erheblicher Anteil von 68,3 % der Gebäude in Deutschland wurde allerdings vor der Einführung der ersten Wärmeschutzverordnung (1. WSchVO) im Jahr 1977 errichtet. Diese Gebäude haben oft einen niedrigeren energetischen Standard und könnten daher von energetischen Sanierungsmaßnahmen profitieren, um den „NT-ready“ Standard zu erreichen und den Einsatz einer Wärmepumpe zu optimieren. 

Zusammenfassend lassen sich folgende Schlüsselaussagen treffen, die für den effizienten Betrieb von Wärmepumpen und die Erfüllung des NT-ready Standards wichtig sind:

  • Eine maximale Vorlauftemperatur von 55 °C sollte eingehalten werden, um eine effiziente Nutzung der Wärmepumpe zu gewährleisten.
  • Die maximale Heizlast sollte 80 W/m² nicht überschreiten.
  • Gebäude, die nach 1995 erbaut oder energetisch saniert wurden, sind in der Regel für den Einsatz von Wärmepumpen geeignet.
  • Bei Gebäuden, die vor 1995 erbaut wurden, sollten vor dem Einsatz von Wärmepumpen zunächst energetische Sanierungsmaßnahmen (vollständig oder teilweise) in Erwägung gezogen werden, um den NT-ready Standard zu erreichen und eine optimale Nutzung der Wärmepumpe zu gewährleisten.
  • Eine raumweise Heizlastberechnung ist für die genaue Planung und Abstimmung des Heizsystems auf die Anforderungen des jeweiligen Gebäudes unerlässlich.

Ergänzend zu diesen Schlüsselaussagen ist es wichtig zu betonen, dass nicht jedes Gebäude ohne wärmedämmtechnische Maßnahmen für eine Wärmepumpe geeignet ist. Die pauschale Annahme, dass dies der Fall wäre, ist daher falsch. Es erfordert eine sorgfältige Einschätzung und eventuell auch erforderliche energetische Verbesserungsmaßnahmen, um sicherzustellen, dass ein Gebäude den NT-ready Standard erfüllt und für den Einsatz einer Wärmepumpe geeignet ist.

Michael Zimmermann

Als zertifizierter Energie-Effizienz-Experte führe ich Sie durch den Förderdschungel und lege gemeinsam mit Ihnen eine für Sie optimale Sanierungsstrategie für Ihr Gebäude fest.

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Michael Zimmermann

Ich bin Michael Zimmermann, Dachdeckermeister, öffentlich bestellt und vereidigter Sachverständiger im Dachdeckerhandwerk und für Schimmelpilzschäden. Zudem bin ich Gebäudeenergieberater und Energie-Effizienz-Experte für die Förderprogramme des Bundes. Mit meiner praktischen Erfahrung weiß ich ganz genau, auf was es bei der energetischen Gebäudesanierung ankommt und auf was SIE unbedingt achten müssen…

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