Gebäudeheizlast aus dem Jahresverbrauch berechnen

von | Jul 17, 2023

In der Welt der Gebäudeenergieeffizienz ist die genaue Kenntnis der Heizlast eines Gebäudes von entscheidender Bedeutung. Diese Kennzahl hilft bei der Auswahl des richtigen Heizsystems und bei der Identifizierung von Energieeinsparpotenzialen. Die Heizlast kann auf verschiedene Arten berechnet werden, eine davon basiert auf den Vollbenutzungsstunden einer bestehenden Heizungsanlage. Dieses Verfahren ist in der DIN EN 12831 festgelegt und ermöglicht eine überschlägige Ermittlung der Heizlast des Gebäudes aus dem Jahresverbrauch.

Im Folgenden wird das Verfahren in vier Schritten dargestellt:

Beispiel:

  • 4 Personen – 150 m² beheizte Wohnfläche
  • 30.000 kWh Gasverbrauch im Jahr *- atmosphärischer Kessel aus den Achtzigerjahren 

(*optimalerweise den Gasverbrauch der letzten 3 Jahre nehmen und mitteln)

Gebäudeheizlast

So berechnen Sie die Gebäudeheizlast

Nachfolgend haben wir Ihnen die wichtigsten Schritte zur Gebäudeheizlast-Berechnung aufgelistet. Mit diesen Informationen haben Sie wichtige Anhaltspunkte zur eigenen Berechnung.

Schritt 1: Ermittlung der Erzeugernutzwärme

Die Erzeugernutzwärme bezieht sich auf den Teil der vom Wärmeerzeuger produzierten Wärme, der tatsächlich zur Verfügung steht. Aufgrund von Umwandlungsverlusten und Abwärme ist dieser Wert oft niedriger als die Gesamtwärme, die vom Wärmeerzeuger produziert wird. Dieser Wert wird als Faktor angegeben und kann durch Multiplikation des eingekauften Energieverbrauchs mit dem Nutzungsgrad der Heizungsanlage berechnet werden. Der Endenergieverbrauch kann über den Zähler oder die Abrechnung abgelesen werden, und der Nutzungsgrad basiert auf den normativen Anforderungen der DIN EN 12831.

Alter des Wärmeerzeugers

Brennwertkessel

Fernwärme

*NT-Kessel

Pelletkessel

Ab 1999

0,92

0,88

0,85

Zwischen 1980-1995

0,87

0,83

Vor 1980

0,78

* NT- Kessel = eine Abkürzung für Niedertemperaturkessel

In diesem Beispiel werden die 30.000 kWh mit dem Faktor 0,88 multipliziert und die Erzeugerwärme beträgt somit 26.400 kWh. In dieser Verbrauchszahl ist nicht nur die Energie für die Raumwärme, sondern auch für die Warmwassererzeugung enthalten. 

Schritt 2: Berechnung des Warmwasserbedarfs

Nicht alle Wärme, die vom Wärmeerzeuger produziert wird, dient der Raumheizung. Ein Teil davon wird für die Warmwassererzeugung verwendet. Um eine präzise Berechnung der Heizlast des Gebäudes zu erhalten, muss die Energie für die Trinkwassererwärmung von der Erzeugernutzwärme abgezogen werden. Der Warmwasserbedarf hängt von der Anzahl der Personen im Haushalt und ihren Komfortansprüchen ab. Für den Fall, dass Wassereintritts – und Austrittstemperatur nicht bekannt sind, ist nach DIN V 4108 – 6 mit 50 °C Austritt und 10 °C Eintrittstemperatur zu rechnen. Wenn keine Werte für das benötigte jährliche Wasservolumen bekannt sind, können folgende Richtwerte verwendet werden: 

0,75 m³/Person/Monat = 9 m³/Person/Jahr.

Die spezifische Wärmekapazität des Wassers bei Umgebungsluftdruck = 1,163 Wh/kg · K. 

Daraus ergibt sich folgende Berechnung nach Anzahl der Personen:

9 m³ · 1,163 Wh/kg · K · 40 K · 4 Personen = 1.675 kWh/Jahr.

 

Hinzu kommen die Wärmeverluste über das Gebäude für die Trinkwassererwärmung. 

Gemäß GEG bzw. DIN V 4701-10 kann ein bezugsflächenorientierter Richtwert von 12,5 kWh (m² ·a) angenommen werden. Daraus errechnet sich: 12,5 kWh · 150 m² = 1.875 kWh/Jahr.

 

Beide Werte zusammen ergeben 3.350 kWh Gasverbrauch für die Warmwasserversorgung.

 

Bei dieser Betrachtungsweise ist der Komfortanspruch durch den Nutzungsgrad der Trinkwassererwärmung mit einer Zirkulationsleitung nicht berücksichtigt. 

Der Anteil der Gebäudebeheizung berechnet sich danach wie folgt:

Gasverbrauch nach Abrechnung 30.000 kWh
-12 % Nutzungsgrad der Heizungsanlage – 3.600 kWh
– Trinkwassererwärmung – 3.550 kWh
Anteil für die Gebäudebeheizung 22.850 kWh

 

Schritt 3: Bestimmung der Vollbenutzungsstunden

Die Vollbenutzungsstunden sind eine wichtige Kennzahl zur Berechnung der Heizlast eines Gebäudes. Sie geben an, wie viele Stunden ein Heizsystem in Betrieb ist. 

Sie werden berechnet, indem man die Betriebsstunden des Heizsystems im Jahr durch die Anzahl der Stunden im Jahr teilt und das Ergebnis mit 100 multipliziert.

Sehr oft werden die Vollbenutzungsstunden der Einfachheit halber anhand Tabellenwerten abgeschätzt. Hierbei handelt es sich jedoch nur um Anhaltswerte.

Korrekter wird die Berechnung mit den Daten auf der Webseite des Bundesverband Wärmepumpe e.V. Als 1. wird die jährliche Betriebszeit der Heizungsanlage berechnet. 

Dazu werden die 365 Tage mit 24 Stunden multipliziert und man erhält 8760 h/Jahr.

Zusätzlich wird die standortbezogene Norm-Außentemperatur und die Jahresmitteltemperatur benötigt. Für die Postleitzahl 55537 beträgt die Jahresmitteltemperatur 10,3 °C und die Normaußentemperatur – 10,1 °C. 

Auch die Heizgrenztemperatur für den Altbau mit 15 °C ist eine wichtige Kenngröße. Sie ist die untere Temperaturgrenze, bei der keine Heizung mehr benötigt wird. D. h. erst unter 15° Außentemperatur wird die Heizung eingeschaltet. 

Mit diesen 4 Werten wird die Berechnung des Belastungsgrades gestartet. Dieser errechnet sich wie folgt:  Von der Heizgrenztemperatur wird die Jahresmitteltemperatur abgezogen.

 

15 °C -10,3 °C = 4,9 °C

Danach wird von der Heizgrenztemperatur die Norm – Außentemperatur abgezogen. 

Bei der Norm-Außentemperatur handelt es sich um das tiefste Zweitagesmittel der Außentemperatur, das in an diesem Standort zehnmal in 20 Jahren erreicht oder unterschritten wurde.

 

15 °C – (-10,1°) = 25,1 °C

Danach werden die 4,9 °C ÷ die 25,1 °C geteilt und der Belastungsgrad ermittelt. Dieser beträgt in diesem Beispiel 0,1952. Dabei handelt es sich um einen Faktor und um einen prozentualen Wert, den wir mit der maximalen Jahresbetriebszeit 8760 Stunden multiplizieren müssen.

8.760 Stunden · 0,1952  = 1.709,95 Stunden ~ 1.710 Stunden Vollbenutzungsstunden

Schritt 4: Berechnung der Heizlast

Alle oben genannten Werte wurden ermittelt. Jetzt wird die Heizlast berechnet. Dazu wird der korrigierte Heizenergieverbrauch durch die Vollbenutzungsstunden dividiert. Das Ergebnis ist die Heizlast in kW.

19.850 kWh ÷ 1710 Stunden = 11,61 kW Heizlast

Zusammenfassung der Gebäudeheizlast:

Bei der Einschätzung der Eignung eines Gebäudes für eine Wärmepumpe und die Bestimmung seiner Heizlast ist es unerlässlich zu bedenken, dass Standardberechnungsmethoden lediglich grobe Abschätzungen liefern. Sie berücksichtigen viele Faktoren wie solare Gewinne, Elektrogeräte und individuelles Nutzerverhalten nicht vollständig. Während solche groben Abschätzungen zur Orientierung nützlich sein können, eignen sie sich nicht zur präzisen Auslegung einer neuen Heizungsanlage. Hierfür ist eine detaillierte, raumweise Heizlastberechnung erforderlich. Diese zieht Transmission- und Lüftungswärmeverluste über die Gebäudehülle in Betracht. Trotz ihrer höheren Genauigkeit lässt auch diese Methode bestimmte Faktoren, wie solare Gewinne oder Wärmequellen innerhalb des Gebäudes, unbeachtet und berücksichtigt das individuelle Nutzerverhalten nicht. Dies sollte speziell bei Eigentümerwechseln und geänderten Komfortansprüchen in Betracht gezogen werden.

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Michael Zimmermann

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Ich bin Michael Zimmermann, Dachdeckermeister, öffentlich bestellt und vereidigter Sachverständiger im Dachdeckerhandwerk und für Schimmelpilzschäden. Zudem bin ich Gebäudeenergieberater und Energie-Effizienz-Experte für die Förderprogramme des Bundes. Mit meiner praktischen Erfahrung weiß ich ganz genau, auf was es bei der energetischen Gebäudesanierung ankommt und auf was SIE unbedingt achten müssen…

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